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Richterin Seiderman begann damit, jedem ein paar Fragen zu stellen. Name und Adresse. Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Sind Sie alleinstehend oder verheiratet, wenn ja, haben Sie Kinder? Ihr höchster Ausbildungsabschluss? Welche Zeitungen und Zeitschriften lesen Sie? Hat jemand in Ihrer Familie jemals für die Regierung oder Polizei gearbeitet?

Andie blickte auf die Uhr. Das würde Stunden dauern. Ein paar von ihnen wurden sofort entschuldigt. Eine Frau sagte aus, sie sei Anwältin. Die Richterin bat sie, zu ihr an den Tisch zu treten. Sie schwatzten ein paar Sekunden, dann durfte die Anwältin gehen. Ein Mann beschwerte sich, er habe bis letzte Woche noch in Westchester auf der Geschworenenbank gesessen. Auch er erhielt seine Entlassungspapiere.
Wieder ein anderer, der sogar ziemlich süß war, sagte, er sei Krimiautor, woraufhin eine Frau in der Menge sein Buch nach oben hielt. Sie lese es gerade! Nachdem er fertig war, hörte Andie ihn kichern: »So ein Pech! Ich habe auch nicht die geringste Chance, für so was genommen zu werden.«
Schließlich nickte Richterin Seiderman in Andies Richtung.
»Andie DeGrasse«, meldete sich Andie. »Ich wohne in 855 West One Eightythird Street, in der Bronx. Ich bin Schauspielerin.«
Ein paar der Anwesenden drehten die Köpfe nach ihr.
Das passierte immer. »Na ja, ich versuche jedenfalls, eine zu sein«, korrigierte sie sich. »Meistens korrigiere ich Texte für The Westsider. Das ist eine Stadtteilzeitung oben in Manhattan. Und was die andere Frage betrifft – ich war es, Euer Ehren, fünf Jahre lang.«
»Waren was, Ms. DeGrasse?« Die Richterin spähte über den Rand ihrer Brille hinweg.
»Verheiratet. Wir konnten das Problem nicht aussitzen, wenn Sie wissen, was ich meine.« Ein paar Leute kicherten. »Und ich habe einen Sohn. Jarrod. Er ist neun. Und derzeit eigentlich meine Vollzeitbeschäftigung.«
»Fahren Sie fort, Ms. DeGrasse«, forderte die Richterin sie auf.
»Schauen wir mal. Ich bin ein paar Jahre aufs St. John’s gegangen.« Was Andie damit eigentlich sagen wollte, war: Wissen Sie, Euer Ehren, ich bin in der vierten Klasse sitzen geblieben, und … ach ja … was ist eigentlich der Unterschied zwischen Mord und Totschlag?
»Ja, und ich lese die Vogue und die Cosmopolitan und, ach ja, und Mensa. Gründungsmitglied. Versuche echt, von der alles zu lesen.«
Sie wurde mit etwas lauterem Kichern belohnt. Weiter so, ermutigte sie sich selbst. Drück die Brust raus. Du hast es fast geschafft.
»Und was die Polizisten betrifft« – sie dachte ein paar Sekunden nach –, »in meiner Familie gibt’s davon keine. Aber ein paar von ihnen waren schon mal bei mir zu Hause.«
Richterin Seiderman schüttelte lächelnd den Kopf. »Nur noch eine Frage. Haben Sie irgendeinen Grund oder haben Sie in Ihrem Leben eine Erfahrung gemacht, um Vorurteile gegen Italoamerikaner zu haben? Oder halten Sie sich für unfähig, einen unparteiischen Geschworenenspruch zu erlassen, wenn Sie an dieser Gerichtsverhandlung teilnehmen müssten?«
»Hm, ich habe mal eine Rolle in Die Sopranos gespielt«, antwortete sie. »Das war die Folge, in der Tony diesen Typen in der Schule von Meadow zusammenschlägt. Ich war in dem Club.«
»Dem Club?« Richterin Seiderman blinzelte. Nicht mehr lange, dann platzte ihr der Kragen.
»Das Bada Bing, Euer Ehren.« Andie zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich habe an einer der Stangen getanzt.«
»Das waren Sie?«, kiekste ein Latino in der ersten Reihe. Jetzt brachen einige im Saal sogar in lautes Lachen aus.
»Danke, Ms. DeGrasse.« Richterin Seiderman unterdrückte ein Lächeln. »Wir alle hier werden uns sicher die Wiederholungen ansehen.«
Die Richterin wandte sich Rosella zu. Andie war ziemlich zuversichtlich, dass sie hier fertig war. Sie spürte zwar die Andeutung eines schlechten Gewissens, aber als Geschworene hier sitzen? Unmöglich.
Doch Rosella war perfekt. Ein Traum für die Geschworenenbank. Sie putzte seit zwanzig Jahren für dieselbe Frau. Sie war gerade erst eingebürgert worden. Sie wollte Geschworene werden, weil sie es für ihre Pflicht hielt. Sie strickte einen Pullover für ihre Enkelin. Oh, du bist auf jeden Fall dabei, grinste Andie in sich hinein. Jede Antwort von Rosella war ein Volltreffer. Sie war wie eine Werbesendung für Geschworene.
Zuletzt stellte die Richterin eine Frage an die potenziellen Geschworenen als Ganzes. Andie schielte auf die Uhr. Viertel nach eins. Mit etwas Glück könnte sie immer noch die Linie 1 kriegen und Jarrod rechtzeitig von der Schule abholen.
Richterin Seiderman beugte sich vor. »Hat jemand von Ihnen den Namen Dominic Cavello gehört oder stand mit ihm in Verbindung?«
Andie blickte zu dem unerschütterlichen, grauhaarigen Mann in der dritten Reihe des Gerichtssaals. Um den ging es also. Ein paar Leute murmelten. Andie drehte sich mit etwas mehr Mitgefühl zu Rosella.
Diese Leute hier standen für einen Horrortrip an.

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